Daß Tiere schön singen können, wäre allgemein bekannt, wenn wir Menschen die richtigen Ohren dafür hätten.
Weil diese uns aber fehlen, können wir nur vermuten, wie schön Tiergesang sein kann.
Anders war das früher in Bremen. Die Menschen dort hatten die richtigen Ohren. Sie hörten, verstanden und liebten den Gesang der Tiere und machten vier von ihnen sogar zu Stadtmusikanten.
Diese Tiere und die Bremer Leute wurden weltbekannt und unsterblich.
Ihr könnt das in dieser Geschichte lesen. Ihr könnt sie auch singen oder spielen. Laßt euch etwas einfallen!
Vielleicht bekommt dann auch ihr die richtigen Ohren.

 

 

Die Bremer Stadtmusikanten

 

Frei nach Gebr. Grimm. Lese-/Vortragszeit etwa 12 Minuten.

 

 

Es lebte einst ein alter Esel.
Der hatte viele Jahre lang
dem Müller brav das Korn getragen –
und war dann schwach und etwas krank.

Er träumte schon vom Gnadenbrot,
dem Eselleben ohne Not.

Der Müller aber schrie: "Du Vieh!
Die Futterkrippe bleibt jetzt leer!
Wer keine Säcke tragen kann,
bekommt auch keinen Hafer mehr!

Ein faules Tier verreckt bei mir!"

Der Esel sagte sehr betrübt:
"Wer hätte dieses wohl gedacht?
Ich half dem Herrn mein Leben lang -
und werde um den Lohn gebracht.

Das ist gemein. Ich esse nicht
ein Hungerbrot aus faulem Stroh!
Mein Plan steht fest! Ich reiße aus
und bin schon morgen wieder froh!

In Bremen fehlen Musikanten.
Ich gehe hin und suche da

 

 

gerechte Menschen, gutes Futter,
und singe laut: IA IA !"

Der Esel ging dann fort, nach Bremen,
und traf den großen braunen Hund.

Der sagte: "Wau-uu u !" Man hörte gleich:
Auch er war alt und nicht gesund.

"Mein Freund, was fehlt dir?" sprach der Esel.
"Ich habe Hunger schon seit Tagen",
begann der Hund und sagte dann:
"Hier ruiniert man meinen Magen.

Man gibt mir Wasser und Kartoffeln,
mehr nicht, und das nur einmal täglich,
kein Fleisch und keinen guten Knochen -
das Leben hier ist unerträglich!

Sehr ungesund für jeden Hund!"

"Geh mit nach Bremen", sprach der Esel.
"Wir beide können prächtig singen.
Die Bremer lieben schöne Lieder
und werden gutes Futter bringen."

Der Hund war sehr erfreut und rief:
"Sogleich verlass' ich diesen Ort!"
Er hob das eine Hinterbein -
und beide gingen eilig fort.

 

 

Schon bald begannen sie zu singen.
Es klang noch etwas falsch und rauh.
Für Kenner aber war’s verständlich.
Sie sangen ja: IA ! WAUWAU !

Sehr laut erklang Duettgesang.

Die alte Katze hatte Sorgen.
Sie saß auf einer Gartenmauer.
Das gute Tier war klapperdürr,
und das erklärte sie genauer.

Sie klagte laut, dass alle hörten:
"Ich habe einen Wackelzahn!
Der tut so weh. - Ich weine oft.
Die Mausjagd geht nicht mehr nach Plan!

So manche Maus lacht mich schon aus!"

Der Esel sagte: "Komm doch mit.
Wir gehen nämlich jetzt nach Bremen.
Die Bremer suchen Musikanten
und werden uns als Sänger nehmen."

"Gefällt mir gut! Ich freue mich.
Soll doch der Hausherr Mäuse fangen!"
Die Katze rief''s und fragte dann:
"Wann werden wir an's Ziel gelangen?"

"Vielleicht schon morgen", sprach der Esel.
"Ich weiß es leider nicht genau."

 

 

Dann sangen sie, sehr schön, im Chor:
IA WAUWAU MIAU MIAU !

Im gleichen Schritt, im Chor zu Dritt.

Ein bunter Hahn begrüßte sie.
Sein Krähen wollte nicht gelingen.
Es zeigte seine Traurigkeit.
Sie unterbrachen dort ihr Singen.

Der Hahn erklärte seine Sorgen:
"Hört her! Es geht um meinen Kopf !
Ein Wunder könnte mich noch retten,
sonst ende ich im Suppentopf !

Die Hausfrau hier hat morgen Gäste,
und denen will sie mich servieren,
gerupft, gekocht, in kleinen Teilen!
Sie hat kein Mitleid mit uns Tieren!

Im Suppentopf... Und ohne Kopf...
Nur Teile noch... Nun helft mir doch!"

Der Esel sprach: "Ist kein Problem.
Auch uns ist Unrecht widerfahren,
bevor wir Haus und Hof verließen
und Knechte unsrer Herren waren.

Jetzt sind wir frei. Wir gehn nach Bremen
und wollen lustig musizieren.
Komm mit! Entflieh dem Suppentopf !
In Bremen singen wir zu Vieren!"

 

 

"Sofort! Das Wunder! Großes Glück!"
Das rief der Hahn, so froh wie nie.
Und weit war ihr Gesang zu hören:
IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !

IA WAUWAU MIAU KIKRI ii!

Die Tiere sangen. Die Lieder klangen
in allen schönen bekannten Tönen.

+

Am Abend waren sie sehr müde
und standen frierend tief im Wald.
Der Wind pfiff laut in tausend Bäumen.
Die Katze sagte: "Mir ist’s kalt."

Und als sie dann noch heftig klagte:
"Ich habe nie so sehr gelitten!"
ermahnte sie der Esel sanft:
"Ich muss dich jetzt um Ruhe bitten.

Ich sehe Licht, und auch ein Haus.
Dort werden gute Menschen leben.
Wir wollen höflich sein und fragen,
ob sie uns etwas Futter geben.

Vielleicht bekommen wir
sogar ein Nachtquartier."

Sie rannten los, zuerst sehr schnell.
Dann schlichen sie, mit leisem Tritt.
Das Haus sah ziemlich grauslich aus!
Bei allen ging die Angst nun mit.

Mit leisem Tritt... Und Angst ging mit.

Die Katze sagte weinerlich:
"Das ist gewiss ein Räubernest –
und böse Menschen feiern dort
In Saus und Braus ein Räuberfest!"

Der Esel mahnte: "Freunde, leise.
Ich werde mal durch's Fenster sehn.
Nur keine Angst. Bleibt hinter mir.
Dann kann euch dreien nichts geschehn."

 

 

Und so geschah's. Der Esel spähte
durch's Fenster in das Haus hinein.
Dort saßen sieben wilde Räuber.
Ihr Hauptmann hieß Hans Bösesein.

"Nun sag uns schon, was du jetzt siehst !
Uns allen schmerzt bereits der Magen."
So klagten Katze, Hund und Hahn.
"Du musst uns nun die Wahrheit sagen."

Der Esel leckte sich das Maul.
"Ich sah", begann er, "einen Tisch,
von einem Ende bis zum andern
voll Brot und Wurst und Fleisch und Fisch.

Ich sah auch reichlich Wein und Bier.
An Wasser scheint es nicht zu fehlen.
Das alles ist ein Festtagsschmaus
für leere Mägen, trockne Kehlen."

"Wie schön!" erklärten Hahn und Katze.
"Wir haben Mut. Wir klopfen an."
Der Hund erhob die Schnuppernase.
"Ich rieche Schlimmes", sprach er dann.

"Es riecht nach vielen bösen Menschen.
Zu denen geh ich nicht hinein!"
Der Esel sagte: "Gut geschnuppert...
Wir alle müssen tapfer sein.

Dort drinnen sitzen sieben Räuber",
so fuhr er leise flüsternd fort.
"Dies Haus ist ihre Räuberhöhle.
Hier wohnen sie nach Raub und Mord.

Die Bande säuft und frisst sich dick.
Und Spieße stehen an der Wand.
Auch jetzt am Tisch hat jeder Kerl
ein langes Messer in der Hand!

Bei jedem Esser ein langes Messer!"

Die Katze klagte, weinte dann:
"MIAU MIAU-uuu ! Ich hab's gedacht!
Wir alle werden bald verhungern.
Ich sterbe noch in dieser Nacht!

Ich armes Tier krepiere hier!"

Der Esel sagte: "Freunde, hört.
Wir wollen einen Angriff wagen
und diese böse Räuberbrut
wie Diebe aus dem Hause jagen.

Wir haben Mut. Und das ist gut.

Die Bande hier vertreiben wir!

Ich stelle mich vor dieses Fenster.
Auf meinen Rücken springt der Hund.
Es folgen Katze dann und Hahn.
Und jeder schreit mit lautem Mund."

Gesagt, getan. Der Turm aus Tieren
war schnell gebaut. Er schwankte heftig.
Dann war's geschafft. Und bald danach
begannen sie - und riefen kräftig:

 

 

IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !
IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !

Die Fensterscheibe barst zu Fetzen !

IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !
IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !

Die Räuber flohen vor Entsetzen

und rannten schnell wie Hasen fort.

Die Waffen ließen sie zurück.
Die Tiere eilten gleich in's Haus.

 

 

Der Esel sagte: "Großes Glück!
Vorüber ist das Hungerleid.
Ich esse Müsli. Was esst ihr?"

 

 

Der Hund erklärte: "Diesen Knochen,
und auch noch diesen Schinken hier."

 

Die Katze sagte: "Frikassee!
Und dann die ganze Leberwurst.
Zuletzt noch reichlich süße Milch,
das Schönste gegen Katzendurst!

Mir tut, juchhe, kein Zahn mehr weh!"

 

 

 

 

 

Der Hahn, der pickte, pickte, sprach:
"Ich esse Krümel, ich, ich, ich!
Und auch noch alle Haferflocken ,
das Leibgericht für mich, mich,
mich!"

 

 

 

 

So aßen sie und wurden satt.
Es gab noch viele gute Reste.
Doch schließlich mussten alle gähnen.
Sie waren müde bald vom Feste.

Der Esel legte sich in's Stroh,
der Hund in eine Zimmerecke.
Die Katze fand den warmen Herd,
der Hahn den Balken an der Decke.

Sie sagten leise: Gute Nacht.
Dann schliefen sie. In allen Bäumen
erklang es wie Musik. Der Wind
erfand ein Lied zu ihren Träumen.

+

Die Räuber aber klagten sehr,
denn ihnen fehlten Bett und Haus.
Und weil sie keine Waffen hatten,
erschraken sie vor jeder Maus.

Sie standen schlotternd nun im Wald.
Die Füße wurden allen kalt.

Der Räuberhauptmann schimpfte laut:
"Verdammt! Was ist da nur geschehn?
Ich bin ein großer Räuberheld!
Ihr Memmen sollt jetzt Taten sehn!"

Ganz leise, ...Schritt...um Schritt...und Schritt,
schlich Bösesein an's Haus heran.
Es war dort still. Er hörte nichts,
trat ein und sagte flüsternd dann:

"Sehr dunkel hier. Ich brauche Licht.
Aha! Im Ofen schwelt noch Glut.
Ich puste mir ein kleines Feuer.
Im Licht verdoppelt sich mein Mut."

Er blies genau wie leichter Wind.
Dann trat auch schon das Unheil ein.
Denn wer in Katzenaugen pustet,
der muss ein großer Dummkopf sein.

Die Katze fauchte ärgerlich.
Sie riss die langen spitzen Krallen
dem Räuber mitten durch's Gesicht.
Entsetzt ist dieser umgefallen!

 

 

 

 

Und als er fortlief, traf der Esel
mit hartem Huf sein Hinterteil.
Dann biss der Hund ihm tief in's Bein.
Am Räuber blieb nur wenig heil.

Er hörte noch, wie jemand rief:
"Und jetzt komm ich! KIKRI KIKRI ii !"
Der Hahn zerkratzte sein Genick.
Kein Wunder, dass der Hauptmann schrie:

"Erbarmen! Gnade! Lasst mich leben!
Ich will auch nie mehr böse sein!"
Er rannte fort, er fiel, er rannte.
Noch lange hörte man ihn schrei'n.

Er war verletzt - und sehr entsetzt.

Den andern Räubern sagte er:
"Vier Geister spuken dort im Haus.
Die greifen jeden schrecklich an
und prügeln ihn zur Tür hinaus.

Die Räuberei ist jetzt vorbei.
Wir haben alles falsch gemacht.
Auch Kinder haben keine Angst.
Wir werden nur noch ausgelacht!

Und bald schon plagt uns großer Hunger.
Wir werden freundlich betteln müssen.
Wer uns ein bisschen Nahrung gibt,
dem wollen wir die Füße küssen!"

Die Räuberbrut war ohne Mut,
war sehr verzagt, von Angst geplagt,
und wie ein Schaf sehr lange brav.

+

Die Tiere schliefen ohne Sorgen.
Ihr Frühstück schmeckte allen gut.
Sie wurden wieder richtig satt.
Der Esel sagte frohgemut:

"Ich bin so stark wie lange nicht
und werde alle Reste tragen.
Wir brauchen einen großen Sack.
Bis Bremen gibt es nicht zu klagen."

Bevor sie singend weiterzogen,
versteckten sie die Räuberspieße,
so dass sie niemand finden konnte,
auch wenn er lange suchen ließe.

Sie gingen bis zum Nachmittag.
Dann kamen sie in Bremen an.
Dort sangen sie ihr schönes Lied.
Die Bremer freuten sich daran.

 

 

 

 

Sie hatten das noch nie gehört:

IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !
IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !

Und weil die Bremer Kenner waren,
erklärten sie: "Wir nehmen die ii !

Wir haben hier dann Musikanten
wie nirgends eine andre Stadt.
Denn diese vier Naturtalente,
die brauchen nie ein Notenblatt.

Wir geben ihnen gute Nahrung,
Getränke auch - ihr Leben lang,

und sie erfreuen uns tagtäglich
mit schönem lautem Chorgesang."

Sie alle waren wirklich glücklich,
die Tiere und die Bremer Leute.
Und weil sie nicht gestorben sind,
so singen viele dort noch heute:

IA WAUWAU MIAU KIKRI !

IA WAUWAU MIAU KIKRI ii !
IA WAUWAU MIAU KIKRI ii ii !

als Stadt-Erkennungs-Melodie ii.

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von Ewald Fleer, 32130 Enger